Silvester hinter Sandsaecken
Das Hochwasser in Grossbritannien hält an, Briten und Iren kämpfen weiter gegen die Flut. Plünderer vergrössern das Leid.
Von Peter Nonnenmacher
Korrespondent
London 18:25
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In Irland und auf den Britischen Inseln geht das alte Jahr mit neuen Flutkatastrophen zu Ende. Am Mittwoch herrschte vor allem im Norden Grossbritanniens wieder Alarm, nachdem Sturm Frank wild strömende Flüsse und bereits saturierte Landstriche erneut «zum Überlaufen» gebracht hatte und vielerorts die Wasserstände dramatisch stiegen.
Unter anderem fand sich das schottische Städtchen Dumfries unter Wasser und musste Strasse für Strasse evakuiert werden. Ortschaften in der Umgebung liessen sich nur noch mit Schlauchbooten erreichen. Tausenden von Häusern fehlte es an Elektrizität und Telefonverbindungen.
In den nordenglischen Grafschaften Lancashire, Yorkshire und Cumbria, die in den letzten vier Wochen schon immense Flutschäden erlitten, wurden erneut Warnungen ausgegeben. Viele Verkehrsverbindungen waren heute wieder überschwemmt. Militäreinheiten arbeiteten fieberhaft an der Verstärkung von Dämmen.
Gefangen im Flugzeug
Als Erste hatten die Iren den neuen Sturm aus dem Atlantik zu spüren bekommen. Heftige Winde und starker Niederschlag fegten über die Grüne Insel, überfluteten Küstengebiete und setzten Strassen unter Wasser.
Zehntausende fanden sich ohne Strom in Irland. Etliche Familien mussten sich bei Verwandten einquartieren. Zeitweise war auch der Fährverkehr beeinträchtigt. Und in Belfast war der Sturm für eine Weile so stark, dass Passagiere ihre Flugzeuge nicht verlassen konnten – weil es dem Flughafenpersonal nicht gelang, die fahrbaren Treppen in Position zu bringen.
Dreifache Niederschlagsmenge
In Nordengland war die Sorge am grössten vor Silvester. Vielerorts waren die Fluten vom zweiten Weihnachtsfeiertag noch gar nicht vollständig abgeflossen. Erneut suchten sich die Anwohner nach Kräften mit Sandsäcken vor dem Wasseranstieg zu schützen. Stellenweise, warnte das Britische Wetteramt, habe man in diesem Monat einen vollen Meter Niederschlag verzeichnet, wo sonst im Dezember nicht mal mit 30 Zentimetern zu rechnen sei.
Im Yorkshire-Städtchen Tadcaster kam es kurzfristig zu einer Panik, als die über 300 Jahre alte Brücke über den River Wharfe auf spektakuläre Weise auseinanderbrach, Kabel und Gasrohre plötzlich frei in den Fluss hingen und man eine Explosion befürchten musste.
Motorradclub gegen Plünderer
Unterdessen meldete die Polizei erstmals Fälle von Plünderungen in überschwemmten und vorübergehend verlassenen Häusern. Es sei, meinte Yorks Polizeichef Mark Grange, «schwer zu begreifen, warum jemand den schon so schwer Geschädigten noch mehr Leid zufügen möchte». In der von den Fluten getroffenen Region Calder Valley stellten sich Mitglieder eines Motorradclubs, die aus der Stadt Bradford angerollt kamen, als freiwillige Wächter zur Verfügung.
Eine Flut wütender Proteste aber ergoss sich über den Direktor des Britischen Umweltamtes, Sir Philip Dilley, der die Weihnachtsferien mit seiner Familie in seiner Ferienvilla auf Barbados verbracht hatte und sich erst am Dienstag entschliessen konnte, nach Hause zurückzukehren.
Dem Amtschef war die heimische Kritik ganz unbegreiflich, da er doch «engen Kontakt» mit seinen Mitarbeitern gehalten hatte. Viele der Betroffenen fanden es jedoch «unglaublich», dass Sir Philip sich ungerührt in der Karibik von der Sonne bräunen liess, während sie den Dreck aus ihren Wohnungen schaufeln mussten. (Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 30.12.2015, 18:26 Uhr)
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