06.03.2012
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THUN • 4600 Tonnen
Munition lagern auf dem Grund des Thunersees – so viel wie in keinem
andern Schweizer See. Die Explosivstoffe bleiben dort, wo sie sind:
unter zentimeterdicken Sedimentschichten. Dort seien sie am sichersten,
erklärte das VBS nach vertiefter Abklärung.
Tobias Kummer
Ein Team von Fachleuten hat sich intensiv mit dem
Umwelt- und Bergungsrisiko der versenkten Stoffe und Metallteile
befasst und kommt zum Schluss, es gebe weder heute noch in Zukunft
schädliche Einwirkungen. Es sei die beste Lösung, wenn gefährliche
Munition und Munitionsrückstände unangetastet bleiben. Von 2005 bis 2010
hatte das Spezialistenteam ein Untersuchungsprogramm zur genauen Ortung
der Objekte im Seegrund durchgeführt.
Auch das Korrosionsverhalten, die Eigenschaften des
Sediments und die Schadstoffe wurden untersucht. Dabei liess das Team
durch spezialisierte Firmen auch Testobjekte heben. Beteiligt waren
unter anderem das Wasserforschungsinstitut Eawag, das
Materialforschungsinstitut Empa, Universität und Kanton Bern,
Armasuisse, Labor Spiez und weitere Firmen und Verwaltungsstellen. Das
Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und
Sport (VBS), das die Untersuchungen leitete, informierte Anfang Februar
über die Ergebnisse: «Die Abklärungen haben keinen Hinweis darauf
ergeben, dass die Seen durch die Munitionsablagerungen belastet werden.»
Der grösste Teil der Objekte befinde sich in einer 25 bis 200
Zentimeter dicken Sedimentschicht im Seegrund. Die Verantwortlichen
kamen zum Schluss, eine Bergung würde zu einer «erheblichen Störung des
Seegrunds» und damit über lange Zeit zu einer Beeinträchtigung des
Wasserökosystems führen. Eine selbständige Detonation könne praktisch
ausgeschlossen werden. Beim Heben und Entsorgen der Munition bestünde
Explosionsgefahr. Diese Tatsache, so folgert das VBS, «würde auf den
Seen und in deren Uferbereichen über Jahre hinweg praktisch kaum
umsetzbare Sicherheitsmassnahmen erfordern». 8000 Tonnen schwere
Zeitbombe Der Vollzug der Altlastenverordnung, der Schutz der Ökosysteme
und Missbildungen an Felchen des Thunersees, die im Jahr 2000 erstmals
festgestellt worden waren, hatten das VBS zu den vertieften Abklärungen
bewogen.
Durch die Ortung ergaben sich auch neue Schätzungen
über das enorme Ausmass der Munitionsversenkungen durch die Schweizer
Armee. Über 8000 Tonnen Munition und Munitionsrückstände lagern auf dem
Grund des Thuner- und Brienzersees sowie im Urnersee und im
Geersauerbecken des Vierwaldstättersees. Es handelt sich zum grössten
Teil um Rückstände der beiden Munitionsfabriken Thun und Altdorf. Aus
früheren Akten geht hervor, dass die Armee nach dem Zweiten Weltkrieg
auch Fliegerbomben, Granaten und gewöhnliche Patronen in die Seen
entsorgte. Die Masse besteht laut VBS zu zwei Dritteln aus Metallen und
zu einem Drittel aus Sprengstoff, darunter auch TNT. Die letzten
Versenkungen fanden 1963 im Thuner- beziehungsweise 1967 im Urnersee
statt.
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